Ist der MBTI wissenschaftlich belegt?

Ob der MBTI wissenschaftlichen Kriterien genügt und wann das in der Praxis von Bedeutung ist?

In meiner Arbeit mit Führungskräften, Verkäufern und Teams setze ich regelmäßig den Myers-Briggs Type Indicator® (MBTI®) ein. Mein Ziel ist es, Menschen dabei zu unterstützen:

  • eigene Stärken und Entwicklungsfelder zu erkennen,
  • andere Standpunkte besser verstehen und wertschätzen zu lernen,
  • besser zu kommunizieren und effektiver zu werden.

Kurz vor dem Start meiner MBTI® Teambuildings erreichen mich regelmäßig Rückfragen von Teilnehmern, die dem Tool sehr skeptisch gegenüberstehen. Insbesondere Zweifel in Bezug auf die Wissenschaftlichkeit des Instrumentes werden genannt.

Der folgende Text soll diese Fragen aus Sicht einer Praktikerin beantworten und allen, die sich mehr Details wünschen, seriöse Quellen zur weiteren Recherche liefern.

Was ist der MBTI® und wozu wird er benutzt?

Der MBTI® ist das weltweit am meisten genutzte Instrument zur Ermittlung von Persönlichkeitstypen, basierend auf der Typenlehre von Carl Gustav Jung. Häufig wird er assoziiert mit einem Fragebogen, der umgangssprachlich als MBTI® Test bezeichnet wird. Dieser Fragebogen bringt einen von 16 möglichen Persönlichkeitstypen hervor.

In der praktischen Anwendung wird das Ergebnis genutzt, um Teams und Einzelpersonen in einen Prozess der Selbst- und Fremdreflexion zu bringen. Dabei macht der aus den Antworten generierte Bericht nur einen kleinen Teil der Arbeit mit dem MBTI® aus. Neben dem Fragebogen sind die Trainings- und Coachingkonzepte sowie die Teilnehmerunterlagen, die von der Meyers-Briggs Company zur Verfügung gestellt werden, von großem Wert.

Zur Eignungsdiagnostik ist er vom zertifizierenden Unternehmen ausdrücklich nicht empfohlen.

Wie also sieht es nun mit der Wissenschaftlichkeit aus?

Bewertungskriterien

Zur Bewertung der Wissenschaftlichkeit von psychologischen Tests werden i.d.R. drei Fragestellungen untersucht:

Die Frage nach der Zuverlässigkeit der Ergebnisse (Reliabilität), die Frage danach, ob ein Test misst, was er messen soll (Validität) und die Frage nach der Unabhängigkeit der Ergebnisse von der durchführenden Person (Objektivität).

Reliabilität:

Die Reliabilität eines Instrumentes wird dann als gut betrachtet, wenn es bei wiederholter Anwendung ähnliche Ergebnisse liefert. Wer also den Fragebogen erneut ausfüllt, sollte ein ähnliches oder gleiches Ergebnis erhalten.

Dieses Kriterium wurde erstmals in einer 1998 durchgeführten Studie erforscht. Seither wurden zahlreiche weitere Studien durchgeführt, die zeigen, dass das MBTI® Tool in Bezug auf die Reliabilität akzeptable Ergebnisse liefert.

Allen, die es noch genauer wissen wollen, empfehle ich die unabhängige Studie von Capraro und Capraro.

Validität:

Die Validität wird dann als gut bewertet, wenn ein Test misst, was er messen soll.

Der MBTI® misst angeborene Präferenzen. Die Validität des Tools ist vielfach belegt. Z. B. durch Studien zur / zum:

  • Korrelation des MBTI® mit anderen Tools zur Persönlichkeitsanalyse,
  • Internen Struktur (Link zur Studie),
  • Einfluss der Persönlichkeit auf das Verhalten,
  • Praktischen Validität (Link zur Studie).

Vorsicht ist geboten bei dem Wunsch nach der Nutzung der Ergebnisse für die Personalauswahl. Hierfür sind diese nicht geeignet, da sich unsere angeborenen Präferenzen von unserem Verhalten unterscheiden können.

Objektivität:

Das Kriterium der Objektivität gilt dann als erfüllt, wenn die Ergebnisse unabhängig von der fragestellenden Person sind. Der MBTI® Fragebogen wird in Form eines Online Fragebogens übermittelt. Daher erübrigt sich die Frage nach der Person.

Praktische Relevanz

Meine MBTI® Workshops beginnen immer mit einer Einführung in die Persönlichkeitstypen und der anschließenden Möglichkeit sich selbst einzuschätzen. Erst im Anschluss an diese Selbsteinschätzung werden die Ergebnisse des Fragebogens bekannt. Eine Abweichung zwischen der Selbsteinschätzung und dem Testergebnis führt dazu, dass die Betroffenen beginnen über sich selbst nachdenken. Zu diesem Zweck reflektieren sie ihr Verhalten in verschiedenen Umgebungen und gehen in den Austausch mit ihren Kollegen, um deren Wahrnehmung zu erfragen.

Das bedeutet: Innerhalb des MBTI®- Workshops reflektieren die Teilnehmer sich selbst und suchen nach einem Abgleich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung im Austausch mit anderen Teammitgliedern. Dies führt regelmäßig zu wertvollen Aha-Effekten sowie tieferen Einsichten einzelner Personen und des gesamten Teams.

Genau das sind die Punkte, die in den Vorgesprächen mit meinen Kunden häufig als Erwartung an das MBTI® Training formuliert werden.

In der Praxis ist für mich als Trainerin die Frage nach dem wissenschaftlichen Hintergrund somit zweitrangig.

Fazit

Die Reliabilität, Validität und Objektivität des MBTI® Fragebogens sind in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht und belegt. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit denen anderer Tools zur Persönlichkeitsanalyse.

Ob der MBTI® das richtige Instrument für Sie ist, hängt davon ab, welches Ziel Sie damit erreichen wollen.

Wollen Sie ein MBTI® Training oder Coaching buchen, weil Sie Ihre Teammitglieder unterstützen wollen, mehr über sich selbst und die Unterschiede zu Menschen mit anderen Persönlichkeitstypen zu erfahren? Und Wege finden, diese Unterschiede konstruktiv und gewinnbringend zu nutzen? Dann können Sie dies ohne Bedenken tun.

Anders stellt es sich dar, wenn Sie die Ergebnisse des MBTI® Fragebogens nutzen wollen, um Personalentscheidungen zu treffen. Der MBTI® misst angeborene Präferenzen. Das Umfeld, in dem wir uns bewegen oder die Rollen, die wir ausfüllen, können dazu beitragen, dass unser Verhalten sich von diesen Präferenzen unterscheidet.

Daher lassen die Ergebnisse des Fragebogens keine belastbare Aussagekraft in Bezug auf die Job Performance einer Person zu. Sie sind folglich für den Einsatz in der Personalauswahl nicht geeignet.

Quellen zur weiteren Recherche:

Biderman, M., et al, (2012): Criterion-related validity of three personality questionnaires.Psychological Assessment, 25(2), 532-544, doi: 10.1037/a0031748

Capraro, R., & Capraro,M., (2002). Myers-Briggs Type Indicator Score Reliability Across Studies: a Meta Analytic Reliability Generalization Study.Educational and Psychological Measurement, 62, 590 doi: 10.1177/0013164402062004004

Furnham, A., Moutafi, J., Crump, J., (2003).The relationship between the revised NEO-Personality Inventory and the Myers-Briggs Type Indicator). Social Behavior and Personality,31 (6), 577-584

Thompson,B., & Borrello, G.,(1986).Construct Validity of the Myers-Briggs Type Indicator. Educational and Psychological Measurement,745-752, doi:10.1177/0013164486463032

Kennedy, B., & Kennedy,A., (2004). Using the Myers-Briggs type indicator in career counselling).Journal of Employment Counseling, 41, 1 doi:10.1002/j.2161-1920.2004.tb00876.x


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